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Kona 2015, day 8 (RACE DAY)

Es ist vollbracht!
Der „längste Tag des Jahres“ ist für mich erfolgreich zu Ende gebracht worden. Für die Deutschen war es ja ein SUPER TAG, da es einen Doppelsieg bei den Männern gab. Jan Frodeno, den ich persönlich eh als Top-Favoriten auf der Liste hatte und – was mich total freut – Andreas Raelert auf Platz 2. Andi Raelert – immerhin schon zwei Mal Vizeweltmeister hier in Kona – wurde von der Presse in den letzten Monaten schon abgeschrieben und war wohl bei niemanden auf dem Radar. Nun ist er zum dritten Mal 2. in Kona. Quasi der Michael Balack des Triathlons 😉
Aber nun zu meinem Tag. Um 6:55 Uhr ging’s los. Vorher „Body Marking“ und noch die letzten Handgriffe am Fahrrad, Luft aufpumpen, etc. Eine knappe Viertelstunde vor dem Start habe ich mich dann ins Wasser begeben, zusammen mit ca. 1500 männlichen Age Groupern. Ich habe mich sehr weit links am Start positioniert, um der Massenschlägerei beim Start aus dem Weg zu gehen. Hat auch ganz gut geklappt. Aber irgendwie hat es ansonsten heute nicht so richtig geklappt im Wasser. Die Schwimmzeit ist eigentlich sehr enttäuschend! Ich muss nachher mal meine GPS-Uhr auswerten, da ich vermute, dass ich statt der 3.860m ein paar hundert Meter mehr geschwommen bin.
Also raus aus dem Wasser, rein ins völlig überfüllte Wechselzelt. Schnell noch Sonnencreme auf Schulter und Nacken und dann raus zum Rad. Hat alles gut geklappt und schon ging es auf die 180 km lange Radstrecke. Am Anfang dreht man eine kleine Schleife durch Kona, aber da geht es auch ordentlich hoch und runter. Nach ca. 8-10 km geht es dann auf den Queen K Highway für die nächsten Stunden. Am Anfang war kaum Wind (wie so oft morgens) und es lief super. War knapp am 37 km/h Schnitt und das würde eine Radzeit von unter 5 Stunden bedeuten, WENN es so weitergeht. Aber so geht es natürlich nicht weiter…
Auf dem Weg nach Hawi (Wendepunkt) geht es laaaange stetig bergauf. Und dazu kommt der Wind volle Lotte von vorne. Dann hat es auch noch ganz leichten Sprühregen gegeben, der aber bei 30 Grad Celsius nicht erfrischend ist, sondern sich eigentlich ehrlich gesagt eklig anfühlt. Bei ca. km 95 / 100 ist dann der Wendepunkt und nun geht es logischer Weise bergab mit Rückenwind. Da geht ordentlich die Post ab… Leider bleibt der Wind aber nicht so. Also, um genauer zu sein: der Wind bleibt schon, nur die Richtung ändert sich. Er kam dann sehr heftig von der Seite, bis er dann die letzten 40-50 km voll von vorne kam! Die Profis hatten wohl Glück gehabt und sind angeblich noch ohne Gegenwind unterwegs gewesen. Das ist hier oft eine Frage von Minuten, wann der Wind kommt und vor allem aus welcher Richtung…
So purzelte als der Schnitt knapp unter 36 km/h, was einen Radsplit von > 5 Stunden bedeutet, aber das ist für Hawaii absolut in Ordnung!
Nun also die Palani Road runter, abbremsen, absteigen und Laufklamotten holen.
Wechsel hat ganz gut geklappt und dann ging es zunächst den Ali’i Drive lang. Man läuft hier teilweise am Meer lang, was sich nett anhört, aber sauanstrengend ist. Es geht STÄNDIG hoch und runter, die Luft ist sehr schwül und es ist ätzend heiß! Ist ist jetzt ungefähr 13 Uhr und „der Planet brennt“. Ab Kilometer 5 bin ich schon an den Verpflegungsstellen immer gegangen, um Wasser, Eiswürfel, Red Bull, Cola, Gatorade, dann wieder Wasser, Cola, Eiswürfel, etc. aufzunehmen. Das erklärt dem aufmerksamen Beobachter dann auch, warum meine Durchschnittszeit pro km immer langsamer wurden, da ich einfach an den Verpflegungsstellen alles was ging genommen habe! Die Helfer sind hier übrigens WELTKLASSE! Die machen das hier mit so einer Leidenschaft und Hingabe, dass es einen teilweise echt schon emotional berührt! 5.000 Helfer für 2.500 Athleten – Wahnsinn! …muss auch mal anerkennend gesagt werden!
Also, der Ali’i Drive und ich, wir werden wohl keine echten Freunde mehr. Das Stück fand ich persönlich anstrengender als der folgende Abschnitt auf dem Highway… Viele „alte Hasen“ haben mir den Typ gegeben, hier – also auf dem Ali’i Drive – noch nicht Vollgas zu geben, da das dicke Ende ja erst auf dem Highway und dem Energy Lab kommt. Also bin ich etwas mit „angezogener Handbremse“ gelaufen, da ich nicht vorhatte, irgendwann später „zu platzen“.
Nach ca. 15 km hat man dann das Stück auf dem Ali’i Drive geschafft und man läuft die Palani Road rauf. Ich bin sie tatsächlich gelaufen, die meisten meiner Mitstreiter sind sie gegangen. Es ist ein langgezogener Anstieg, der so richtig schön wehtut. Oben angekommen, biegt man links ab auf dem Highway. Nun beginnt das triste Laufen mehr oder weniger allein, ohne viele Zuschauer in der Lavawüste. Wenn ich das hier so schreibe, muss ich mich fast schon selber fragen, warum man den Schwachsinn eigentlich mitmacht… 😉
Nach ca. 1 km ist dann das Partyzelt von Hannes Hawaii Tours und da standen dann auch diverse bekannte Gesichter und haben mich ordentlich angefeuert! Das tut gut!
Jetzt tut sich eigentlich nicht viel. Die Strecke ist absolut öde und man läuft immer geradeaus. Bis zum Abzweig zum Energy Lab – ein Sperrgebiet, wo Zuschauer verboten sind. Um das Energy Lab wird ein wahrer Hype gemacht. Angeblich zerbricht man hier gerne physisch und mental. Man läuft hier ca. 3,5 km zum Meer bergab, wendet und dann muss man die 3,5 km wieder hoch zum Highway. Dabei weht einem der Wind bergab ins Gesicht und bergauf demnach in den Rücken, so dass man das Gefühl hat, die Luft steht um einen herum. Ich muss sagen, dass ich das alles nicht wirklich dramatisch fand. Bergab kann man es laufen lassen und bergauf muss man sich dann halt mal ein wenig zusammenreißen. Geht aber alles. 2 Verpflegungsstellen gibt es auch. Also es ist Quatsch, wenn immer gesagt wird, dass da keine Menschenseele zu sehen ist. Am Highway stehen übrigens auch nicht wirklich Zuschauer. Wer stellt sich auch schon zum Zuschauen am Highway in die pralle Sonne???
Es hat sich dann – Gott sei Dank – etwas zugezogen und damit sind die Temperaturen leicht gefallen. Für mich – der Hitze hasst – ein wahrer Segen! Ich habe auch gleich gemerkt, wie es (zumindest gefühlt) etwas leichter lief. Ansonsten immer das gleiche: an jeder Verpflegungsstelle gehen und soviel Flüssigkeit aufnehmen, wie möglich. Ich war froh, dass ich in einer Überraschungsei-Dose noch 8 Salztabletten mit dabei hatte, denn langsam fingen erste Krämpfe an und das Salz hat mich vermutlich ins Ziel gerettet…
Selten habe ich die Kilometer so runtergezählt wie hier. Noch 15, noch 12, noch 10, noch 8…. Letztlich stand bei km 40 wieder die „Partyzone“ von Hannes und ab da geht es nur noch bergab. Wobei das nach 224 km in den Beinen auch gefährlich ist, wenn man auf einmal die Palani Road wieder bergab laufen muss. Die Oberschenkel finden das jetzt auch nicht mehr so lustig… Man dreht dann noch einen kleinen Schlenker, bis man dann die letzten 400 Meter auf den Ali’i Drive einbiegt und dem Ziel entgegen rennt. Jetzt beginnt der emotionale Teil des Rennens. Die Straße ist KOMPLETT mit Kreide vollgekritzelt, es stehen Unmengen Leute am Rand und bejubeln einen. Die Amerikaner ticken ja diesbezüglich etwas anders als die Europäer. „GOOD JOB! YOU ARE AWESOME, SEBASTIAN – GO! YOU ARE LOOKING GREAT!“ Und so weiter… Gänsehaut – und auch eine kleine Träne im Auge… Dann kommt man auf den Teppich und Mike Reilly – „the voice of IRONMAN“ – sagt auf den letzten Metern die magischen Worte, für die hier 2.500 Athleten hergekommen sind: YOU ARE AN IRONMAN!!!
Jawohl. Mit einem lauten Urschrei überquere ich nach 10:06:06 Std. die vermutlich sagenumwobenste Ziellinie des (Ausdauer-) Sports. Meine Einschätzung, hier irgendetwas um die 10 Stunden „drauf zu haben“ hat also gepasst. Schade, dass das Schwimmen nicht so lief. Sonst hätte vielleicht sogar noch ein Fünkchen Hoffnung für eine Zeit von unter 10 Stunden bestanden. Aber ich bin absolut zufrieden! Und man muss sich ja noch steigern können – auch wenn ich momentan froh bin, dass die Saison nun endlich vorbei ist! Nicht mehr morgens um 4:30 Uhr aufstehen (für die nächsten Wochen) 😉
Insgesamt – für die Statistik – habe ich als 380. gefinisht und in meiner Altersklasse den 68. Platz belegt. Für ein Debüt hier in Kona bin ich zufrieden!
Ist ja immerhin eine Weltmeisterschaft…
Um Mitternacht gehen wir vielleicht noch zur Finishline-Party, um die letzten Athleten „ins Ziel zu tragen“. Das sind beim Ironman eigentlich immer die emotionalsten Momente. Der Letzte wird hier gefeiert wie der Erste! In Klagenfurt war es auch so und ich gebe gerne zu, dass man nach so einem langen Tag dann schon sehr nah am Wasser gebaut ist! Es ist wirklich sehr bewegend, wenn sich die letzten nach 17 Stunden hier im wahrsten Sinne des Wortes ins Ziel kämpfen. Auch das ist eine Leistung, vor dem man nur den Hut ziehen kann. Ich hätte ehrlich gesagt keine Lust, mich im Dunkeln auf dem Highway von Kilometer zu Kilometer vorzukämpfen. Also: großer Respekt auch vor den „Langsamen“!!
Morgen geht es dann einen halben Tag mit einem Boot auf’s Wasser. Schnorcheln, abhängen, einfach den Tag genießen. Das wird bestimmt toll.
Danke an alle, die heute (bzw. gestern) die Daumen mit gedrückt haben. Es hat was gebracht…
Grüße vom anderen Ende der Welt!!

Veröffentlicht in Ironman